Hoffnung

"Früher habe ich geglaubt, Hoffnung ist ein Zeichen von Schwäche. Aber das stimmt nicht, im Gegenteil - es ist die Hoffnungslosigkeit, die schwach macht. Hoffnung macht stark, denn durch die beginnt man langsam einen Sinn in dem zu erkennen, was geschehen ist. Nicht unbedingt den Sinn, warum es so gekommen ist, sondern eher den Sinn dessen, dass man selbst weiterlebt. Denn die Hoffnung ist ein Vielleicht. Ein ‘Vielleicht sind die Dinge irgendwann nicht mehr so beschissen’. Und dieses Vielleicht macht alles sofort ein bisschen leichter.” - Cecelia Ahern

Im Sommer 2018 habe ich mir, 4 Wochen vor meinem ersten Triathlon, in einem Vorbereitungswettkampf die Außenbänder am Sprunggelenk gerissen. An für sich nichts Tragisches. Aber es hat meine Welt in den Wochen danach komplett auf den Kopf gestellt. Plötzlich musste ich still sitzen, konnte keinen Sport mehr machen, nicht mehr Feiern gehen oder meine Woche mit sonstigen schönen Sachen zuballern. Dabei waren das doch genau die Dinge, die mir geholfen haben, einem Teil meines Tages einen Sinn zu verleihen - was mein Job nicht geschafft hat: Vor der Arbeit Laufen oder Schwimmen, nach der Arbeit ins Fitnessstudio oder eine schnelle Frustrunde laufen und danach feiern gehen. Das war mein Ausgleich - im wahrsten Sinne des Wortes, aber die Rechnung ist leicht gemacht: Wenn man 10 Stunden am Tag unglücklich verbringt und das ausgleichen will durch 10 glückliche Stunden, aus denen das Maximale rausgeholt werden muss.. ja, dann bleibt da wohl einiges auf der Strecke. Vielleicht auch gewollt. Denn irgendwie muss man ja  die ständigen Gedanken kleinkriegen: War das jetzt schon alles? Was mache ich da? Warum mache ich das? Und wie geht all das mit meinen Werten zusammen? Fragen, die ich nicht beantworten konnte und die es deshalb zu unterdrücken galt.

Aber was macht man, wenn man plötzlich gezwungen ist stillzusitzen, runterzufahren, zuhause zu bleiben, seine Gedanken zu hören? Was macht man, wenn man sich ärgert, wenn man wütend ist, aber seine Aggressionen nicht mehr beim Sport rauslassen oder beim Feiern vergessen kann? Was macht mann, wenn man Gefühle und Gedanken nicht mehr wegdrücken kann? Was, wenn man es nicht aushält, seine Gedanken so laut zu hören? Wie geht man mit diesen Emotionen um? Und wie mit der Machtlosigkeit, dass das alles nicht aus freier Entscheidung, sondern gezwungenermaßen so ist? Dass irgendein externer Einfluss einen ausbremst?

Irgendwie kommen mir diese Fragen bekannt vor...

Ich stand der bitteren Wahrheit gegenüber.
Gezwungen.
Konnte nicht fliehen.
Und noch weniger damit umgehen.
Ich konnte nicht mehr raus gehen.
Und musste nach innen gehen.

Irgendwie kommt mir das bekannt vor...


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Ich habe dann zufällig angefangen, einen Podcast über Persönlichkeitsentwicklung zu hören (Danke, Vali <3). Und trotz dessen, dass ich fand, dass die Frau in dem Podcast viel zu glücklich und fröhlich redet, bin ich dran geblieben - blieb mir ja auch nicht viel anderes übrig - und hab letztendlich jede einzelne Folge angehört. Der Podcast hat mein komplettes Denken verändert und Fragen beantwortet, die mir seit Jahren niemand beantworten konnte. Ich hab mich das erste Mal mit mir selbst beschäftigt, es hat sich angefühlt wie eine Therapie :D.

Ich habe angefangen zu journalen, nachdem ich diesen Beitrag gehört habe: Write it down, make it happen, und mir damit das erste Mal in meinem Leben überlegt habe, was ich eigentlich von meinem Leben will, was meine Ziele und Werte sind, aber auch life challenges, die ich aktuell nicht lösen kann.


Ich habe angefangen, viel mehr über Persönlichkeitsentwicklung zu lesen: Das Cafe am Rande der Welt (John Strelecky), Gespräche mit Gott (Neale Donald Walsch), Du bist das Placebo (Dr. Joe Dispenza), Das Kind in dir muss Heimat finden (Stefanie Stahl), um die krassesten zu nennen.

Ich habe mich durchgerungen, eine Form von Yoga zu machen (die nicht ganz so ruhig ist wie Yoga :D), und es nicht mal geschafft in der Endentspannung 10 Minuten auf der Matte zu liegen, ohne dass mir die Tränen kamen, ohne dass ich schreien wollte. Ich wollte nicht mehr in diesen Kurs gehen wegen dieser Endentspannung. Aber ich bin dran geblieben (Danke, Vali <3), habe angefangen regelmäßig zu meditieren und (richtiges :D) Yoga zu machen. Ich habe angefangen, jeden Morgen und Abend Tagebuch zu führen, aufzuschreiben, welcher Mensch ich sein will und wofür ich dankbar bin (Das 6-Minuten Tagebuch). Ich hab mir viel Zeit für mich genommen, mich zurückgezogen, am Ende des Jahres meinen Job gekündigt, das Jahr reflektiert und ein Vision Board für mein neues Jahr (2019) erstellt.

Meine Rettungsanker in den letzten drei Monaten auf der Arbeit, die mir dadurch gezeigt haben, dass der ganze Quatsch wirklich was hilft, waren: Meditieren, meditieren, meditieren, positive Affirmationen, Power Talks, Mantras, Visualisierungen und Yoga.

Es war eine harte Zeit und eine nicht ganz sanfte Lektion. Aber wisst ihr, welche Notiz ich vor kurzem wiedergefunden habe:



Ihr seht das Datum. Ich habe über ein Jahr gebraucht für diese Erkenntnis. Das, was mich lahmgelegt hat,
das, was mich so wütend gemacht hat,
das, was mich mir selbst ausgeliefert hat,
das, was meine Pläne und mein Weltbild durchkreuzt hat.

Das war mein größtes Glück.
(Neu-)Ordnung entsteht aus Chaos!


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Warum schreibe ich das Ganze hier? Ehrlich gesagt nicht, weil ich schon immer mal sonderlich gerne über diese Phase in meinem Leben öffentlich schreiben wollte. Aber ich habe das Gefühl, dass wir als Gesellschaft gerade so etwas durchmachen, wie das, was bei mir durch den Bänderriss ausgelöst wurde. Frust, Traurigkeit, Alleine sein, Wut, Angst, Fremdbestimmung, Sich selbst ausgesetzt sein, Akzeptanz, Sinnfragen, Lernen, Informieren, Kreativ werden, damit umgehen, gestärkt hervorgehen, nichts wird danach sein, wie es davor war…

Ich tue es, weil ich mir nichts mehr wünsche, als dass diese Welt ein besserer Ort wird. Dass soziale Werte vor kapitalistischen Zielen stehen. Ich wünsche mir eine Welt, in der das höchste Gut eine schöne Zeit miteinander hier auf Erden ist. Ich wünsche mir eine Welt, in der jeder versteht, dass wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind, dass wir alle gleich viel wert sind. Ich wünsche mir eine Welt, in der jeder Mensch frei ist, eine Welt, in der jeder das sagen darf, was er möchte, eine Welt in der niemand Hunger oder Durst leiden muss, eine Welt, die nicht vom Menschen regiert wird, sondern in der der Mensch erkennt, dass alles eins ist und er seine Umwelt auch so behandelt und nicht als selbstverständlich hinnimmt. Ich wünsche mir eine Welt, in der jeder Mensch aus Liebe handelt. Zu sich. Zu seinen Mitmenschen. Zu seiner Umwelt.

Und ja, ich sehe in der aktuellen Lage die Chance dazu, sonst würde ich das hier nicht schreiben. Ich sehe eine Chance, weil ich Menschen sehe, die sich plötzlich mit sich selbst beschäftigen (müssen), Menschen, die kreativ werden, Menschen, die sich bewusst werden, welche Menschen wichtig in ihrem Leben sind, Menschen, die helfen und Solidarität zeigen, Menschen, die tun, was sie lieben, wenn sie plötzlich nicht mehr arbeiten (müssen / dürfen / können), Menschen, die mit so viel Herz dazu beitragen, dass wir diese Krise so gut wie möglich erleben (ob mit Witz, mit Kunst, mit Musik, mit Humor, mir Ernsthaftigkeit, mit Wissenschaft, mit Einsatz, mit Zurückhaltung, mit Worten, mit Taten…). Ich sehe Menschen, die dafür das einsetzen, wofür sie geboren wurden, die ihr Talent teilen, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich sehe, wie sich ein globales Mitgefühl und ein globales Bewusstsein entwickelt.

Wir sehen auch die wesentlichen Schwächen unseres Systems, die meiner Meinung nach maßgeblich vom Kapitalismus geprägt sind: Fehlende Investitionen in Gesundheits- und Bildungssystem, fehlende digitale Bildung und Infrastruktur, fehlende Solidarität und Wertschätzung für soziale Berufe. Vor allem frage ich mich, ob mit uns etwas falsch ist, wenn wir nicht systemrelevant sind, oder ob dann was mit dem System falsch ist.. aber naja, das würde jetzt den Rahmen sprengen. (Ich bin eindeutig der Meinung, dass wir alle, die in Deutschland leben, uns aktuell als die glücklichsten Menschen der Welt schätzen können, nicht falsch verstehen.)

Das alles sind Chancen. Und wir, jeder einzelne von uns, kann aktuell dazu beitragen, dass wir als globale Welt diese Chance nutzen. Ordnung entsteht durch Chaos. Und wir können jetzt neu entscheiden, wie wir die Welt haben wollen. Wir können entscheiden, wer wir in dieser Krise sein wollen. Und wie wir selbst und die Welt aus dieser Krise hervorgehen sollen. Wir können aktiv mitgestalten oder uns ausgeliefert fühlen. Wir können uns fremdbestimmt fühlen und in diesem Gefühl ersticken oder es annehmen, wie es ist und das Neue, die Möglichkeiten nutzen. Wir können uns über die Situation beschweren oder unsere Einstellung dazu ändern. Wir können vor allem nach innen gehen, jetzt wo wir nicht mehr nach draußen gehen dürfen, und das ist es, was wir als Gesellschaft so dringend brauchen. 

Ich weiß, dass ich das aus einer sehr privilegierten Sicht sehe, und es geht mir nicht darum, etwas herunterzuspielen oder Menschen, die gerade von einem harten Schicksal getroffen sind, zu sagen, dass sie sich nicht so anstellen und alles mal positiv sehen sollen. Nein, ganz sicher nicht! Es geht mir aber darum, dass der Großteil, der diesen Blog liest, zum Glück in einer ähnlich komfortablen Lage ist wie ich. Und genau deshalb die Pflicht hat, etwas zu tun. Für die Menschen, die es gerade so hart trifft.

Es geht mir darum zu sagen, dass in manchen Herausforderungen oder Krisen, denen man nichts Gutes abgewinnen kann, immer auch eine Chance liegt. Sie sind da, um uns wachzurütteln. Und manchmal erkennt man das eben erst viel später.

Es geht mir darum zu sagen, dass, wenn ich eins gelernt habe, wir die Welt nur zu einem besseren Ort machen können, wenn wir bei uns anfangen. Wenn jeder mit sich selbst sein kann: Still sitzen, seine Gedanken hören ohne durchzudrehen, auf der Matte liegen ohne schreien zu wollen. Wenn ich mit mir im Reinen bin, wenn ich mich glücklich machen kann, in meiner Mitte bin, erst dann kann ich das auch für andere tun. Jeder fängt bei sich an. Wenn ich mir also überlege, wer ich in dieser Krise sein will, geht es im ersten Schritt um mich.

Und wenn ich mir überlege, wie ich mir die Welt wünsche, nach dieser Krise, dann geht es im zweiten Schritt darum, sich darüber bewusst zu werden, welchen Impact man hat (Wie würdest du dich verhalten, wenn die ganze Welt dich imitieren würde?) und welchen Beitrag man leisten kann. Und das gelingt schon, wenn man respekt- und liebevoll mit seinen Mitmenschen und der Umwelt umgeht.

Jeder von uns befindet sich gerade in einer anderen Situation, auf einem anderen Weg, in einer anderen Phase. Jeder von uns befindet sich auf seiner persönlichen Reise. Und ich glaube, das Wichtigste ist es, zu akzeptieren, an welchem Punkt man gerade steht, sich klar zu machen, dass das genauso auch gut ist und sich für sich selbst zu überlegen, was man jetzt für sich tun kann, was für jeden individuell der nächste Schritt ist, um bei sich anzukommen und um zu wachsen. Wichtig ist doch, dass wir achtsam umgehen, mit uns und der Welt, dass wir erkennen, was wir wann brauchen und geben können.

Und ich glaube, die Welt braucht uns. Jetzt. Jeden einzelnen. In seiner vollen Kraft.

Von daher freue ich mich, wenn jeder, der das liest, seine Reise weitergeht, startet,  pausiert, umplant oder anderen Reisenden hilft - und das achtsam, auf seine eigene authentische Weise und in seiner eigenen Geschwindigkeit. Denn damit können wir eine schöne neue Welt gestalten, wie sie uns allen gefällt. Damit irgendwann in den Geschichtsbüchern steht: Diese Krise war das größte Glück der Menschheit.

--> Ich würde mich mega freuen, wenn wir täglich um 18 Uhr gemeinsam zusammen mit 7Mind meditieren <-- #gemeinsamdaheim <3

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